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KLIMACHAOS UND GEOPOLITISCHE UNGEWISSHEUT ERFORDERN INVESTITIONEN IN ERNEUBARE ENERGIEN

16.08.2022

“The climate emergency is a race we are losing, but it is a race we can win”. United Nations Secretary-General António Guterres

Wir leben aktuell in einer Klimakrise. Jedes Jahr werden Milliarden Tonnen CO2 durch menschliche Aktivitäten in die Atmosphäre freigesetzt, was zu rekordverdächtigen Treibhausgasemissionen führt. Diese Emissionen tragen direkt zur anhaltenden Erwärmung unseres Planeten bei, wobei die letzten vier Jahre die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen waren.

Steigende Temperaturen bedeuten nicht nur wärmere Sommer – eine Aussage, die nur allzu oft von Klimaleugnern verwendet wird.  Vielmehr tragen steigende Temperaturen zu einer Zunahme extremer Wetterereignisse bei, darunter Überschwemmungen (wie gerade in Südkorea), Brände (wie zunehmend in Europa zu beobachten), Dürren (das Vereinigte Königreich erlebt gerade die trockenste Periode seit über einem Jahrhundert), Naturkatastrophen, Verlust von Lebensräumen, schmelzende Eiskappen und steigende Meeresspiegel, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Folgen dieses Klimachaos sind immens. Von Ernährungsunsicherheit und Wasserkriegen bis hin zu Unterbrechungen der Versorgungsketten (wie beispielsweise die Bedrohung der Schifffahrt durch den rekordverdächtig niedrigen Wasserstand des strategisch wichtigen Rheins) – der Klimawandel ist nicht nur ein Umweltproblem, sondern eine existenzielle Krise für die Menschheit und die Stabilität unserer Weltwirtschaft.

Eine neue Warnglocke

Trotz der eindeutigen Warnzeichen und der grundlegenden Notwendigkeit, unsere globalen Kohlenstoffemissionen zu verringern, fehlte es bisher an einer gemeinsamen Anstrengung, um einen solchen Wandel herbeizuführen, und zwar mit der Dringlichkeit, die unser Planet verlangt. Trotz der Fortschritte des Pariser Abkommens – eines internationalen Abkommens, das den globalen Temperaturanstieg auf unter zwei Grad Celsius begrenzen soll – befinden wir uns laut UNEP Emission Gap immer noch auf einem „Business-as-usual“-Pfad.

Was ist also nötig, um den Schalter wirklich umzulegen und den Status quo zu durchbrechen?

Im Februar 2022 marschierte Russland in die Ukraine ein und führt seither einen unnötigen Angriffskrieg. Die Invasion führte zu einer der größten Flüchtlingskrisen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg, zu globaler Nahrungsmittelknappheit, zu Unterbrechungen der Versorgungskette und – als einer der größten Öl- und Gasproduzenten und -exporteure der Welt – zu einer globalen Energiesicherheitskrise.

Die EU, die mehr als 40 % ihres Erdgases, 27 % des Erdöls und 46 % der Kohle aus Russland importiert, spürt bereits die Auswirkungen der bedrohten Energieversorgung und der daraus resultierenden Preissteigerungen. Da Russland seine Gasexporte nach Europa bereits mit reduziert hat (die Nord-Stream-1-Pipeline lieferte kürzlich nur ein Fünftel ihrer Gesamtkapazität) und die EU ihrerseits Sanktionen verschärft hat, um russisches Öl aus dem Verkehr zu ziehen, bereitet sich die EU auf mögliche Engpässe, Rationierungen und steigende Kosten vor.  Zwar ist es Russland gelungen, neue Abnehmer für einen Großteil seines Rohöls zu finden – insbesondere Indien, die Türkei und den Nahen Osten – doch die hohen Kosten der anhaltenden Abhängigkeit Europas von russischen fossilen Brennstoffen sind deutlich ins Blickfeld gerückt, und die Notwendigkeit, die Energiequellen zu diversifizieren, ist dringender denn je.

Der Weg zur Energieunabhängigkeit

Schmutzige Energieträger wie Kohle mögen der schnelle Weg zur Energieautarkie sein (der deutsche Energiekonzern RWE hat bereits angekündigt, kurzfristig mehr Kohle zu verbrennen), doch muss Europa aufpassen, dass es nicht wieder in die fortgesetzte Nutzung nicht nachhaltiger fossiler Brennstoffe zurückfällt. Der Wunsch nach Energieunabhängigkeit von Russland in Verbindung mit der anhaltenden Bedrohung durch die aktuelle Klimakrise ist ein starkes Argument für Investitionen in saubere, erneuerbare Energien in Europa. Europa verfügt heute über reichhaltige erneuerbare Energieressourcen, aber diese Technologien haben ihr Potenzial noch nicht voll ausgeschöpft. Die Gründe für die unterentwickelte Industrie für erneuerbare Energien in der EU sind vielfältig und reichen von fehlenden Anreizen für Investitionen in die Infrastruktur für erneuerbare Energien bis hin zu erheblichen Hindernissen, wie z. B. Schwierigkeiten bei der Sicherstellung der Finanzierung, schwerfällige Lizenz- und Genehmigungsverfahren und mangelnder grenzüberschreitender Zusammenhalt.

Während der Europäische “Green Deal” bereits das langfristige Ziel der EU skizziert, bis 2050 klimaneutral zu werden, hat die EU als Reaktion auf den Einmarsch in die Ukraine die Initiative REPowerEU gestartet, deren Hauptziel es ist, die Abhängigkeit der EU von russischen fossilen Brennstoffen durch Energieeinsparungen, Diversifizierung der Energieversorgung und beschleunigte Einführung erneuerbarer Energien zu beenden. Die Kommission hat sich insbesondere darauf geeinigt, das Ziel für 2030 für den Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtenergiemix von 40 % auf 45 % zu erhöhen, verglichen mit dem Anteil erneuerbarer Energien von 22,1 % im Jahr 2021.

Angesichts der ehrgeizigen Ziele, die erneuerbaren Energien in den nächsten sieben Jahren zu verdoppeln, werden sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor erhebliche Kapitalausgaben und zusätzliche Investitionen erforderlich sein. Derzeit wird eine Reihe von Programmen entwickelt, um Anreize für solche Investitionen zu schaffen, wie z. B. die Richtlinie für erneuerbare Energien, die darauf abzielt, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und Gebiete zu ermitteln, die für den Ausbau erneuerbarer Energien geeignet sind. Auch bereits umgesetzte Programme wie InvestEU unterstützen nachhaltige Investitionen, Innovationen und die Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa mit dem Ziel, durch eine EU-Haushaltsgarantie von 26,3 Milliarden Euro öffentliche und private Investitionen in Höhe von mehr als 372 Milliarden Euro auszulösen.

Eine Chance für eine Führungsrolle und ein aufstrebender Solar Star

Solarenergie ist heute in den meisten Ländern eine der günstigsten Stromquellen. Marktverzerrungen, Subventionen und Vorteile für traditionelle Energieerzeuger führen jedoch zu einer Verzerrung der wahrgenommenen Kosten. Die EU setzt auf die Solarenergie als eine der wichtigsten Säulen auf dem Weg zur Energieautarkie und hat eine eigene EU-Solarstrategie ins Leben gerufen, um die Photovoltaik-Kapazität bis 2025 zu verdoppeln und bis 2030 über 600 GW zu installieren. Die verstärkten Investitionen in die Solarenergie bieten der EU auch die Möglichkeit, die Wertschöpfungskette der Solarenergie in der EU zu erweitern, da heute die überwiegende Mehrheit der Komponenten und Teile von Solarmodulen importiert wird. Um die Abhängigkeit vom Ausland wirklich zu verringern und den innovativen und wettbewerbsfähigen Markt der EU zu nutzen, müssen dieses Know-how und die Produktionskapazitäten in die EU gebracht werden. Die EU kann dies nicht nur nutzen, um sich als führend in der Solarenergie zu positionieren, sondern es hat auch den zusätzlichen Vorteil, die Widerstandsfähigkeit der Solarenergie in der EU zu erhöhen, das lokale Fachwissen in diesem Sektor zu erweitern und neue nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen. So waren im Jahr 2020 in der EU-Solar-PV-Branche schätzungsweise 357.000 Vollzeitbeschäftigte (direkt und indirekt) tätig. Es wird jedoch erwartet, dass sich diese Zahl bis zum Jahr 2030 durch verstärkte Investitionen in die Solarenergie mehr als verdoppelt.

Der Anstoß zum Wandel 

Es ist klar, dass die Welt gemeinsam schneller handeln muss, um unsere globalen Emissionen zu verringern, wenn wir irreversible Schäden an unserem Planeten verhindern und die EU-Klimaziele erreichen wollen, bis 2050 klimaneutral zu werden. Die Verringerung der Abhängigkeit der EU von russischer Energie birgt zwar kurz- (und langfristig) große gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Herausforderungen, aber vielleicht ist die eindeutige geopolitische Notwendigkeit der Energieautarkie ein Anstoß für die EU, das Tempo bei langfristigen, nachhaltigen Investitionen in sauberere erneuerbare Energien zu erhöhen.

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